Wachsender Antisemitismus in Armenien und wie leben die Juden in Aserbaidschan?

Wachsender Antisemitismus in Armenien und wie leben die Juden in Aserbaidschan?

Jede Nation hat das Recht, ihre eigene Geschichte zu schreiben und denjenigen, die sie als Nationalhelden bezeichnet, mit Denkmälern zu verewigen. Nicht verschwiegen werden kann allerdings die Tatsache, wenn einer, der am Holocaust, dem größten Massenmord der Menschheitsgeschichte beteiligt war, zum Helden stilisiert wird.

Die ehemalige armenische Führung unter Sersch Sargsjan errichtete im Mai 2016 im Zentrum von Eriwan eine 6-Meter hohe Statue zu Ehren des faschistischen Henkers und Verräters Garegin Ter-Harutyunyan, genannt Nzhdeh, der mit Nazi-Deutschland kollaborierte. Die neue Regierung Armeniens ist nicht willens, dieses Monument zu entfernen. Das jüdische Volk wird nie die Grausamkeiten vergessen, die von 20.000 armenischen Legionären unter Führung von Nzhdeh während des Zweiten Weltkriegs begangen wurden. Historische Dokumente bestätigen diese Fakten. Zweck der von Nzdeh geführten armenischen Legion war es, die Lebensgrundlagen von Juden in der Sowjetunion zu zerstören. Der armenischen Legion ist es “zu verdanken”, dass die Städte Simferopol, Jewpatoria, Aluschta, Kertsch und Feodosia sowie andere Gebiete im Westen der Krim-Halbinsel vollständig von Juden „gesäubert“ wurden. Das 1999 im Zentrum von Jerewan errichtete Holocaust-Denkmal wurde insgesamt viermal – 2005, 2007, 2010 und 2020 – geschändet. Beim letzten Vorfall wurde das Mahnmal mit einem Hakenkreuz und den Worten „Tod den Juden“ beschmiert. Die Stadtverwaltung entfernte am nächsten Tag die Graffiti und ordnete eine Untersuchung an. Im Oktober 2020 wurde das Monument erneut von armenischen Extremisten beschädigt. Der Grund dafür ist die Unterstützung des Staates Israel für Aserbaidschan im Bergkarabachkonflikt.

Im Jahr 2018 führte Mikhail Finkel, Rechtsanwalt, Experte für internationales Recht und internationale Politik, unterstützt von Pew Research Center, eine öffentliche Meinungsumfrage in Armenien zum Thema Antisemitismus durch. Er kam zu einem ernüchternden Ergebnis. Der Umfrage zufolge teilt die Mehrheit der armenischen Bevölkerung bis zu einem gewissen Grad die antisemitischen Ansichten. Die Zahlen sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache: Der armenische Antisemitismus ist ein ernstes Problem. Dieses darf nicht geleugnet, beschönigt oder ignoriert werden. Vielleicht ist es der Hauptgrund, weshalb Israel wenig Interesse an engeren Beziehungen zu Armenien zeigt und stattdessen Nähe zum muslimisch geprägten Aserbaidschan sucht.

Wie sieht das jüdische Leben in Aserbaidschan aus?

Aserbaidschans multireligiöse Zusammensetzung hat tiefe historische Wurzeln, und sieben Jahrzehnte religiöser Unterdrückung unter sowjetischer Herrschaft haben genau das Gegenteil erreicht, indem sie die Zusammenarbeit zwischen den Religionen förderten. Laut Statistik sind 88 Prozent der Bevölkerung Aserbaidschans ethnische Muslime. Aserbaidschan ist ein offener, laizistischer Staat mit einem hohen Bildungsniveau, ein Land, in dem Staat und Religion strikt voneinander getrennt sind. Der Verzicht, den religiösen Faktor in der Verfassung zu verankern, ist ein großer Schritt zur Gewährleistung der Religionsfreiheit in einem mehrheitlich muslimischen Land. In Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, findet man überall “jüdische” Gedenktafeln und Denkmäler. Sie sind dem genialen Physiker Lev Landau, dem Leiter des sowjetischen Atomprogramms, dem Drei-Sterne-General Boris Vannikov, und anderen berühmten Wissenschaftlern gewidmet.

Rabbi Yona Yaakobi stands in front of the larger synagogue currently active in the Jewish Azerbaijani town of Krasnaya Sloboda. (Courtesy)

Erst vor einem Jahr wurde ein Denkmal zu Ehren von Albert Agarunow, dem berühmten Panzerkommandanten und Nationalhelden Aserbaidschans eingeweiht, der im ersten Karabachkonflikt in der Schlacht um Şuşa ums Leben kam. Außerdem trägt eine Schule in Baku, die Agarunov besuchte, seinen Namen. Bei der Beerdigung Agarunovs lasen auf Bitten der Familie sowohl ein Rabbiner als auch ein Mullah Gebete. Baku hat außerdem drei Synagogen, eine aktive jüdische Gemeinde mit Schulen und Kulturzentren, und an der Staatlchen Universität von Baku kann Hebräisch studiert werden.

Autochthone Bevölkerungsgruppen in Armenien sind nicht erwünscht

Für ein Land, in dem es kaum Juden gibt, ist wachsender Antisemitismus kein überraschendes Phänomen. Mehrere registrierte Zwischenfälle innerhalb weniger Monate gefährden das Leben der jüdischen Gemeinde in Armenien, die nur 900 Mitglieder zählt. Über Jahrhunderte hinweg lebten nicht so viele Juden in Armenien. Nach Erlangung der Unabhängigkeit beeilte sich die Republik Armenien, sich sowohl der zahlreichen autochthonen aserbaidschanischen Bevölkerung als auch den Gemeinden anderer Nationalitäten zu entledigen.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass der engste Verbündete Armeniens im Konflikt um Berg Karabach der schiitische Gottesstaat Iran ist, ein Land, das offen seinen Willen bekundet, den jüdischen Staat zu zerstören, und dazu noch als Hauptsponsor des weltweiten Terrorismus agiert.

Der amerikanische Rabbiner Israel Baruk wies in einem seiner Auftritte auf „Times of Israel“ auf die koordinierte Aktion der armenischen Studentenorganisationen in den Vereinigten Staaten hin. Diese riefen zu Boykottkampagnen an verschiedenen Universitäten des Landes auf und forderten, die Zusammenarbeit mit Israel beenden. Er betonte: “Gewalttätige Vorurteile gegen Juden und zutiefst antisemitische Aktionen in Armenien sind besorgniserregend.“ Leider unternimmt die armenische Regierung nichts, um den wachsenden Antisemitismus im Land zu bekämpfen. Solange Armenien eine Politik des begrenzten Nationalismus verfolgt und die Anderen für seine eigenen wirtschaftlichen und politischen Misserfolge verantwortlich macht, werden einige wenige Hundert Juden, die noch in Armenien verblieben sind, das Land bald verlassen müssen.

Autor: Admiral