Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Konfliktregion Berg-Karabach gingen mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens am 10. November 2020 zu Ende. Die meisten Experten betrachten die mit russischer Initiative ausgehandelte Vereinbarung als machtpolitischen Triumph für Putins Russland. Neben Moskau gehört auch die Türkei zweifelsohne zu den größten Gewinnern. Der Westen, unter anderem die EU litt hingegen eine deftige Niederlage, da man aufgrund jahrelanger Teilnahmslosigkeit im Konfliktlösungsprozess über keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die Geschehnisse in der Region hatte. Es herrschte und herrscht immer noch die Sprache der Ohnmacht.
Militärisch betrachtet, ging Aserbaidschan als Sieger aus dem Krieg hervor. Ausgerüstet mit modernen Waffen türkischer und israelischer Herstellung, ist es Baku gelungen, einen Großteil der um Berg-Karabach gelegenen Gebiete, die Armenien als „Sicherheitsgürtel“ betrachtete, nach 27 Jahren erneut unter seine Kontrolle zu bringen. Die Folgen der militärischen Niederlage für Armenien sind verheerend: Bis zum 25. November muss die Provinz Kalbadschar, anschließend bis zum 1. Dezember Latschin an Aserbaidschan zurückgegeben werden. Diese Gebiete liegen außerhalb der administrativen Zentren von Bergkarabach und waren bis zur Besetzung durch armenische Truppen mehrheitlich aserbaidschanisch besiedelt. Der fünf Kilometer breite Latschin-Korridor soll Bergkarabach mit Armenien verbinden und von russischen Friedenskontingent überwacht werden. Die strategisch wichtige Stadt Schuscha bleibt unter aserbaidschanischer Hoheit.
„Die Minsker-Gruppe existiert nicht mehr
Auch die Anstrengungen des US-Präsidenten Donald Trump und des französischen Staatschefs Emmanuel Macron, sich als „Friedensstifter“ zu präsentieren, waren nicht von Erfolg gekrönt. Die Bundesregierung bildete ebenfalls keine Ausnahme. Kanzlerin Angela Merkel suchte bereits kurz nach Beginn der Kämpfe den Kontakt zu ihren aserbaidschanischen und armenischen Amtskollegen Ilham Alijew und Nikol Paschinjan, der jedoch erfolglos blieb. Im Gegenteil schufen westliche Staaten Nährboden für einen noch größeren Machtzuwachs Russlands, das durch vorerst alleinige Entsendung der Friedenssoldaten einmal mehr seinen Anspruch unterstrich, die dominante Ordnungsmacht zu sein. Doch gleichzeitig kann der Kreml die aktive Beteiligung der Türkei als eine mittlerweile etablierte Regionalmacht und enger Verbündeter Aserbaidschans nicht ignorieren. Allen gegensätzlichen Interessen und argwöhnischen Blicken aus dem Westen zum Trotz erwies sich das türkisch-russische Tandem effizienter und handlungsfähiger, dem es gelang, wenigstens dem Blutvergießen im Konfliktgebiet ein Ende zu setzen, auch wenn die politische Lösung in naher Zukunft unabsehbar scheint.
„Die Minsker-Gruppe existiert nicht mehr“, sagt Fjodor Lukjanow, einer der renommiertesten Kenner der russischen Außenpolitik und Chefredakteur der einflussreichen russischen Fachzeitschrift “Россия в глобальной политике” (engl. Russia in Global Affairs). Der Einflussverlust und die Visionslosigkeit des Westen gehe mit der Stärkung der machtpolitischen Positionen Russlands und der Türkei im Südkaukasus einher.
Autor: Admiral
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