von Matthias Wolf
Wenn die Diskussion auf die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs und die damit verbundene Denkwürdigkeit verschiedener Anlässe kommt, erhitzen sich zuweilen in Deutschland die Gemüter. Dies hat seinen Ursprung selbstverständlich darin, dass dieses Kapitel der deutschen Geschichte als kein eben ruhmreiches oder gar heutzutage positiv besetztes unserer Historie wahrgenommen zu werden pflegt. Dennoch ist in der Retrospektive klar, dass verschiedene Aspekte nicht einfach ausgeblendet oder gar negiert werden können, sodass die Geschehnisse der damaligen Zeit vergessen gemacht würden. Um das „Vergessen“ geht es in den meisten Debatten häufig auch gar nicht. Vielmehr ist man immer noch auf der Suche nach einem geeigneten Umgang mit dem Zweiten Weltkrieg und einer damit verbundenen adäquaten Gedenkkultur.
Diese ist aber bei Weitem nicht nur ein spezifisch „deutsches Problem“. Denn so sehr man sich darüber einig ist, dass der Überfall auf Polen am 01.September 1939 und der Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 als Schlüsselmomente zu gelten haben, so sehr weiß man heute auch, dass Kollaboration mit der deutschen Wehrmacht, Erinnerungsprobleme in den heute unabhängigen Nachfolgestaaten der UDSSR und übersteigerter Nationalismus in allen Teilen Europas dazu geführt haben, dass gern über diese Themen geschwiegen wird. Ebenso wird, ungeachtet jeder staatlichen Souveränität, nicht bedacht, dass die jeweiligen Länder, trotz offizieller Gedächtnisorte materieller und immaterieller Art (s. Nora, 1991) sehr unterschiedlich mit den genannten Themen verfahren. Was genau diesen unterschiedlichen Umgang bedingt und ausmacht, soll in der folgenden Analyse genauer beleuchtet werden. Einige ausgewählte Beispiele aus Russland, Aserbaidschan, Armenien und Georgien, die auch in Bezug auf ihren Symbolcharakter und ihre interpretatorischen Schwierigkeiten hin kommentiert werden, sollen die Problematik einer heute nationalisierten und dennoch unter sowjetischem Banner miteinander geteilten Erinnerungskultur transparenter werden lassen.
Zu Beginn der Analyse möchte ich auf die Siegesparade eingehen, die alljährlich in Moskau zu Ehren der gefallenen Soldaten im „Großen Vaterländischen Krieg“ (1941-1945) stattfindet.
Dieses Ereignis stellt gewissermaßen den Grundstock der eigentlichen Problematik dar. Denn diese Parade ist Ausdruck eines gelenkten kollektiven Erinnerns insoweit, als sie nach wie vor auf dem Roten Platz in Moskau stattfindet und die jeweiligen Partnerländer zur Teilnahme an der Veranstaltung aufgerufen werden. Natürlich treten diese Länder auch heutzutage nicht mehr unter der sowjetischen Flagge, sondern unter ihren eigenen nationalen Farben und Emblemen auf. Der Beobachter ist indessen versucht zu glauben, dass genauso, wie diese Parade nach wie vor in Moskau statt findet, auch weiterhin dieselbe Einheit wie in jenen Zeiten herrschte, da die damaligen Sowjetstaaten in einer Union gegen die deutsche Wehrmacht antraten. Jedoch ist ebendieser Aspekt sehr zu hinterfragen. Denn schon bei der Aufstellung der Marschordnung fällt auf, dass unter Umständen auch Länder bei der Präsentation fehlen oder andere hinzukommen, die nichts mit der eigentlichen Befreiung Europas vom Faschismus zu tun haben. Letztere sind eher Ausdruck der heutigen geopolitischen Interessen Russlands, das sich keinesfalls der Solidarität all seiner Nachbarn gewiss sein kann.
So traten beispielsweise Lettland und Estland nicht bei der Parade an, während Tadschikistan, Kirgisien, Aserbaidschan und Usbekistan sehr wohl zu sehen und an ihren Nationalflaggen eindeutig zu erkennen waren. Hier zeigt sich bereits eine deutliche Haltung der beiden baltischen Staaten, die sich auch in ihrer Außenpolitik immer wieder gegen Russland positioniert und der NATO den Vorzug ihrer Solidarität eingeräumt haben. Diese Position ist jedoch durch außenpolitische Schritte, wie etwa die Unterstützung westlicher Sanktionen gegen die Russische Förderation, noch relativ leicht herauszulesen. Bei anderen Staaten, wie Aserbaidschan, Georgien und Armenien sieht dies ganz anders aus und ist bei weitem mit mehr Widersprüchen behaftet. Ganz so einfach ist folglich (in Bezug auf die damaligen Ereignisse) auch hier die Position nicht zu beziehen. Denn die Erinnerungskultur aller drei Länder verweist zwar offiziell auf eine antifaschistische Haltung gegenüber den damaligen Aggressionen Hitlerdeutschlands, doch ist auch an diesen drei Ländern jene Zeit nicht ohne Schattenseiten und Grauzonen vorbei gegangen.
Im Falle von Georgien wird dies besonders offenbar. Denn geichwohl die Georgier damals mit an der Seite der UDSSR gegen Hitlers Truppen kämpften, war ihr größter Schmerz dabei vermutlich der, das Josif Stalin, der bereits innerhalb der UDSSR für ethnische und politische Säuberungen verantwortlich war und nun auch noch die sowjetischen Truppen gegen Hitler befehligte, als einer von ihnen und doch keiner ihresgleichen betrachtet werden musste. Dies ist so zu verstehen, dass Stalin, der mit bürgerlichem Namen Josif Wissarionowitsch Tschugaschwili hieß, zwar eindeutig Georgier war, aber dennoch keine pro-georgische, d.h. nationale Position gegen Moskau vertrat, sondern, im Gegenteil, den Freiheitswillen vieler Georgier sowie ihre enge Bindung zum Christentum kein Stück respektierte. Es verwundert daher auch nicht, dass gerade Georgien im Verlauf des Zweiten Weltkriegs eines der Länder war, in denen Hitler mit der Anwerbung für seine „kaukasischen Legionen“ den größten Erfolg erzielte.
Die Georgier hatten nämlich, einer russischen Vorherrschaft im Kaukasus sowie einer Ent-Christianisierung ihres Landes durch die Politik Stalins überdrüssig, mit dem Einmarsch der Deutschen vielerorts die Hoffnung verbunden, dass mit einem Sieg der Wehrmacht ihre Unabhängigkeit von Russland zementiert werden würde. Doch unter der unnachgiebigen und zuweilen waghalsigen Militärführung Stalins war ebendies unmöglich. Dazu kam noch, dass diese Strategie einer unbedingten Aufopferung für die Sowjetunion und deren Zusammenhalt gegen die Wehrmacht aufging und somit zum Sieg führte. Was für viele Georgier also heute übrig bleibt, sofern der 9.Mai 1945 als immaterieller Gedächtnisort betrachtet wird, ist, dass zwar ihr Land von einer faschistischen Übernahme durch die Hitler-Truppen verschont blieb, dafür aber auch die Hoffnungen auf Autarkie und die Rückkehr zu den ur-christlichen Wurzeln der nationalen Kultur zunichte gemacht wurden. Denn erst nach der Erlangung der Unabhängigkeit im Jahre 1991 war dies de facto möglich.
Das Verhältnis zwischen Russland und Georgien ist bis heute extrem angespannt. Dies geht mitunter so weit, dass junge Georgier vielfach keinesfalls Russisch als Sprache zur inter-ethnischen Kommunikation nutzen wollen, obgleich sie es oft auf schulischem Wege gelernt haben. Es wird dem Englischen größere Priorität eingeräumt und westliche Einflüsse finden (auch auf politischer Ebene) weitaus mehr Zustimmung, als dies in anderen Ländern der ehemaligen UDSSR zu beobachten ist. Insofern ist die Rolle Georgiens im Zweiten Weltkrieg durchaus nicht nur dadurch bestimmbar, dass es als Land insgesamt am Großen Vaterländischen Krieg mitgewirkt hat. Auch eine partielle Kollaboration mit der Wehrmacht, die von der vergeblichen Hoffnung genährt wurde, eine bereits vorhandene politische Bevormundung los zu werden, gehört zu diesem Erbe. Der 9. Mai wird daher sicherlich den einen oder anderen georgischen Bürger mehr an eine verpasste Chance auf nationale Souveränität denn an eine Befreiung von einem Tyrannen erinnern, dessen Aussichten auf einen Sieg gegen die damalige Übermacht der Roten Armee ohnehin schlecht standen.
In Armenien liegt die Situation ähnlich, wenngleich sie hier nichts mit den damaligen Regierenden in der Sowjetunion oder deren Haltung zu Russland zu tun hat. Vielmehr spielt der armenische Nationalismus eine Rolle, der bereits zu Ende des Ersten Weltkriegs einen Kulminationspunkt darin erreicht hatte, dass viele Armenier infolge der Ereignisse von 1915/16 es ablehnten, sich in irgendeiner Form einer Hegemonialmacht unter zu ordnen. Zwar war das russisch-armenische Verhältnis in den 30er- und 40er-Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht so extrem von Spannungen geprägt, wie dies in den Beziehungen zur Türkei galt, aber dennoch hatten auch hier nationalistische Kräfte ihre Chance gesehen, sich durch eine Kollaboration mit deutschen Truppen von der Sowjetunion zu lösen. Hierbei spielt auch eine Rolle, dass, anders als in Georgien, verschiedene Persönlichkeiten auf den Plan traten, die eine armenische Erweckungsbewegung begründen und damit sowohl der sowjetischen Herrschaft, als auch der damit verbundenen (für Armenien) erzwungenen Völkerfreundschaft mit den Turkvölkern der UDSSR entrinnen wollten. Eine dieser Persönlichkeiten war Garegin Nzhdeh. Dieser armenische Nationalist hatte bereits im Ersten Weltkrieg als Partisan gekämpft und sich dabei auch politisch betätigt. Denn neben seinen praktischen Kampferfahrungen war er auch als Ideologe bekannt geworden, indem er eine in sich geschlossene Lehre begründet und diese unter der armenischen Bevölkerung (nicht ohne Erfolg) verbreitet hatte. Diese wurde später, in den 1930er-Jahren, unter dem Namen „Zegakronismus“ bekannt. Der Begriff selbst wird als „Lehre von den Trägern der Rasse“ übersetzt und bezeichnet ein armenisches Superioritätsdenken, in dem slawische und turkstämmige Völker herabgesetzt werden. Damit enthält die Lehre selbst schon viel Gemeinsames mit der Rassenideologie Hitlers, der ja ebenfalls gegen die UDSSR nicht nur aus politischen, sondern auch aus „lebensraumtheoretischen“ Gründen zu Felde zog.
Was die eigentliche Schwierigkeit bei der heutigen politischen Bewertung dieses Kapitels der armenischen Geschichte anbelangt, so ist zu sagen, dass Garegin Nzhdeh bis heute in Armenien für seinen Kampfgeist und seinen Chauvinismus verehrt wird. Im Jahre 2020 beispielsweise ließ die Regierung Nikol Pashinyans eine Statue in Jerewan zu Ehren dieses (aus internationaler Sicht) sehr zweifelshaften Idols errichten. Diese Problematik erwies sich als umso gravierender, als im gleichen Jahr das 75.Jubiläum des Sieges der sowjetischen Truppen über den Faschismus gefeiert werden sollte. Ungeachtet der hier beschriebenen Kollaboration mancher Armenier mit den Truppen der Wehrmacht (die es zweifelsohne gegeben hat) hatten viele Armenier in der Roten Armee mitgekämpft und waren für ihr damaliges Vaterland (die UDSSR bzw. die Armenische SSR) gefallen. Nachfahren dieser Soldaten leben heute noch in Armenien und pflegen das Andenken an ihre gefallenen Familienmitglieder.
Die Frage, die sich daraus ergibt, ist dementsprechend, wie die Regierung Pashinyan gedenkt, den Hinterbliebenen dieser Opfer zu erklären, dass einem offensichtlich pro-faschistisch gesonnenen Charakter ein offizielles Denkmal gesetzt wurde. Von den außenpolitischen Folgen, wie z.B. den sich seither stetig verschlechternden Beziehungen zu Russland, das bisher immer als Schutzmacht Armeniens galt, soll hier erst gar nicht im Detail die Rede sein. Nur soviel sei hierzu angemerkt: In Bezug auf alle bisherigen chauvinistischen Ansätze innerer und äußerer Politik seit der Amtszeit von Serge Sargisjan hat sich Armeniens jetziger Premier Nikol
Pashinyan , der überdies bei anderen Gelegenheiten sehr oft Verbündete in der westlichen Sphäre suchte, wohl am weitesten aus dem Fenster gelehnt.
Die letzte Perspektive, die nun in Bezug auf die Feierlichkeiten im Gedenken an den 9.Mai 1945 im Rahmen dieses Aufsatzes analysiert werden soll, ist die Sicht Aserbaidschans. Auch hier ist gleich vorweg zu nehmen, dass die Gegner eines sowjetischen Sieges und damit die Kollaborateure mit der Wehrmacht auch dort existierten. Seit der Eingliederung Aserbaidschans in die UDSSR im Jahre 1920 hatte sich ein politischer Widerstand formiert . Dieser war zunächst aus patriotischen oder religiösen Gründen zustande gekommen, da gerade in der Regierungszeit Stalins gezielt religiöse Praxis von staatlicher Seite beobachtet oder gar aktiv unterbunden wurde. Kirchen, Synagogen und Moscheen wurden gesprengt oder umfunktioniert. Allerdings ist es dennoch nicht zielführend, eine rein idealistisch-religiöse Motivlage der Kollaborateure zu vermuten. Denn so sehr die religiöse Freiheit unter Stalin eingeschränkt worden war, so sehr hatten schon vorher (während der ersten demokratischen Republik, 1918-1920) progressive Kräfte die Abschaffung der arabischen Schrift und den Laizismus als Staatsprinzip durchgesetzt.
Was aber unter Stalin ab 1921 folgte, waren Pogrome gegen Geistliche aller Glaubensrichtungen, umstrittene Gebietsverteilungen, die gerade mit Armenien zu Spannungen führen mussten und ein Generalverdacht gegen alle Bürger, die im Familienkreise (mangels öffentlicher Möglichkeiten) ihre Traditionen zu wahren versuchten. Dazu kamen die negativen wirtschaftlichen Folgen des Krieges.
Denn alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse gingen zu großen Teilen an die Armee. Für die ländlichen Gegenden im Kaukasus war dies eine Katastrophe. Denn auch Familien und Einzelbauern, die bis dahin auf Selbstversorgung gesetzt hatten, mussten nun mit extrem knappen Mitteln zurecht kommen.
Die Unzufriedenheit wuchs stetig, sodass schlussendlich nicht allzu wenige Aserbaidschaner ebenfalls den „Legionen“ beitraten, die Hitler ab 1942 im gesamten Südkaukasus rekrutierte. Die aserbaidschanischen Legionäre spielten dabei insofern eine besondere Rolle, als sie aufgrund ihres islamischen Glaubens und der damit verbundenen Unerschrockenheit in Kriegssituationen als besonders treu und zuverlässig galten.
Hitler selbst besaß zwar nur wenige Kenntnisse über den Islam und seine Glaubenspraxis, doch wusste er, dass die Idee des „Dschihad“ (im Sinne eines „Heiligen Krieges“) auch als ein „Verteidigungskrieg“ gegen den Bolschewismus ausgelegt und damit propagandistisch genutzt werden konnte. Letzterer war, seiner Ansicht nach, ohnehin eine „jüdische Erfindung“. So kam es, dass auch antisemitische bzw. anti-judaistische Ideen unter den aserbaidschanischen Legionären populär wurden, welche sonst eigentlich dem Volksglauben der Aserbaidschaner wesensfremd erscheinen mussten. Denn seit jeher hatten in Baku und anderen größeren Städten des Landes auch jüdische Bürger eine sichere Heimat gehabt. Als eine Bedingung für die Zugehörigkeit des Einzelnen zur Nation hatte das Bekenntnis zum Islam nämlich nicht gegolten. Die Idee der von Mǝmmǝd Əmin Rǝsulzadǝ gegründeten „Müsavat-Partei“ sah, wie übrigens schon ihr Name (müsavat= „Gleichheit“) verrät, lediglich ein Bekenntnis zum Vaterlande vor.
Diese Partei vertrat außerdem in Teilen ebenfalls sozialistische Anschauungen, weigerte sich aber, die stalinistische Ägide, unter der Aserbaidschan im Namen Moskaus geführt werden sollte, anzuerkennen.
Es ging ihr, programmatisch betrachtet, grundsätzlich um die Unabhängigkeit des Landes. Insofern wundert es auch nicht, dass Rǝsulzadǝ das Angebot Hitlers, im Falle eines deutschen Sieges in „Transkaukasien“ Statthalter zu werden, ablehnte. Auch bis nach Baku, wohin Hitler aufgrund der Ölreserven unbedingt gelangen wollte, kam die Wehrmacht nicht. Manche deutschen Soldaten sollten jedoch Baku tatsächlich zu Gesicht bekommen – als Kriegsgefangene. Dieses Thema wurde später in mehreren aserbaidschanischen Filmen, wie z.B. „Şǝrikli Çörǝk“ (1969, aserb.:„Geteiltes Brot“) verarbeitet, wobei auch der durchaus humane Umgang der aserbaidschanischen Bevölkerung mit den Kriegsgefangenen gezeigt wird.
Insgesamt ist nun festzustellen, dass Russland, Georgien, Armenien und Aserbaidschan, obgleich sie allesamt auf das gleiche historische Erbe hinsichtlich des Zweiten Weltkriegs zurückblicken mögen, höchst unterschiedlich mit den Ereignissen jener Zeit umgehen. Mag auch der 09. Mai in allen vier Ländern als Feier- und Gedenktag in den Kalender aufgenommen worden sein, so müssen doch wesentliche Unterschiede bezüglich der heutigen historischen Deutung festgehalten werden. In Russland selbst gilt der 09.Mai als regulärer Feiertag, der auch in entsprechender Art und Weise begangen wird. Es wird eines Sieges gedacht, der seinerzeit Russland und die gesamte UDSSR vor noch größerem Blutvergießen bewahrte, als dies ohnehin schon während der Kriegshandlungen stattgefunden hatte. In Georgien, Armenien und Aserbaidschan indessen bleiben, trotz eines offiziellen Gedenkens und einer Teilnahme an der Siegesparade in Moskau, Zweifel an der Frage bestehen, ob dieser Tag im Zeichen der „Befreiung vom Faschismus“ oder eher unter dem Aspekt einer verpassten Gelegenheit zur Souveränität gewertet werden soll. Letztere Deutung trifft vor allem auf jene zu, die entweder niemals Teil einer „sowjetischen Bevölkerung“ sein wollten oder sogar noch nach Erlangung der Unabhängigkeit nur eingeschränkt zufrieden sind. Denn auch in diesen drei Ländern gab und gibt es (wie überall) Chauvinisten, deren nationale und kulturelle Eigenliebe zuweilen bizarre Formen annimmt. Diese reichen sogar bis hin zu dem Wunsch, die Wehrmacht hätte damals doch besser anstelle der Roten Armee siegen mögen. Doch ob den Vertretern dieser Denkart bewusst ist, welche Zukunft sie sich damit für ihr Land und ihre Mitmenschen erhofft hätten, darf bezweifelt werden. Auch ist die so oft hervorgehobene Vaterlandsliebe dieser Diskutanten doch äußerst fragwürdig. Denn ein wahrer Patriot sollte sich doch für seine Heimaterde und die darauf lebenden Bewohner Frieden und Unversehrtheit wünschen. Ein Weltenbrand des damaligen Ausmaßes verheißt jedoch das genaue Gegenteil von beidem. Den heute noch lebenden Veteranen steht dies mit größter Sicherheit zeitlebens vor Augen.
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